Montag, 14. Dezember 2009

Treffen des Freundeskreises Februar 2010

Der Freundeskreis „Zelt der Völker“ trifft sich wieder am Donnerstag, 4. Februar 2010 um 20:00 Uhr im Gemeindezentrum. Herzliche Einladung an alle!

B5: Sendung an Weihnachten 2009

Von Bernhard kommt folgende Info: "Am ersten Weihnachtsfeiertag wir um 10:35 und als Wiederholung um 19:35 eine Reportage bei B5 aktuell gesendet, die das Thema "Wassernotstand" (Isreael/Autonomiegebiet) zum Thema hat. Diese Sendung dauert ca. 27 Minuten.

Mittwoch, 18. November 2009

Bericht Herbstreise 2009

Im Oktober waren wir zu dritt (mit Axel und Kurt, zwei alten Jugendfreunden) in Israel, davon sieben Tage auf dem Weinberg der Nassars, von denen wir allen Freunden in Deutschland Grüße ausrichten sollen und die sich für die Olivenbaumspende (3000,- Euro) herzlich bedanken, die u. a. aus einigen Mennonitengemeinden gegeben wurden. Es war schön, zu sehen, wie viele Freiwillige und Besucher, u. a. eine deutsche Schulklasse, während unseres Aufenthaltes auf dem Weinberg anzutreffen waren. Eine Solaranlage ist in Betrieb und liefert sauberen Strom, eine Komposttoilette wurde eingerichtet, an weiteren Regenzisternen wird gearbeitet - dies geschieht alles, um eine gewisse Autonomie zu erreichen, da nach Fertigstellung der Mauer mit Blockaden durch die israelische Armee gerechnet werden muss.

Wir konnten uns bei der Olivenernte nützlich machen und an einem Stall für Tiere mitarbeiten. Dieser entsteht „unter Tage“, da neue Gebäude oberirdisch nicht errichtet werden dürfen. Eines Nachts hatten wir „Besuch“ durch die israelische Armee (ca. 50 Mann), die ohne Vorwarnung das Eingangstor niederrissen und eine Razzia durchführten. Es war nicht schön, durch den Strahl einer Taschenlampe und einem Gewehr im Anschlag aufgeweckt zu werden. Nach einer Stunde war der Spuk vorbei, das Militär hat sich im weiteren Verlauf soweit korrekt verhalten. Ich denke, es geht der Armee einfach darum, Präsenz zu zeigen und den Druck auf die Familie Nassar zu erhöhen. Ein Angehöriger der Familie wurde z. B., nachdem er nachts Besucher auf den Weinberg abgesetzt hatte und zu Fuß zum Taxi zurückkehrte, von einer Militärstreife kontrolliert (in recht barschem Ton, man hielt im eine Waffe an den Kopf etc.). Auch das zeigt, wie man die Besitzer des Weinberges schikanieren und entmutigen will.

An einem Nachmittag haben wir versucht, die israelische Siedlung Newe Daniel zu besuchen (15 Minuten Fußmarsch), doch wir wurden recht unfreundlich abgewiesen. So war es uns leider nicht möglich, mit den „Nachbarn“ Kontakt aufzunehmen.

In der zweiten Woche waren wir im Autonomiegebiet und in Kernisrael unterwegs. Eine beeindruckende Reise, auf der wir viel gesehen und erlebt haben. Leider wurden wir in den letzten Tagen an der Grenze zum Libanon Zeugen eines Raketenbeschusses durch die Hizbollah (in Kirjat Shmona) und dem Artilleriebeschuss der Israelis auf vermutete Stellungen der Schiitenmiliz. Wir waren zu keiner Zeit in Gefahr, doch haben uns diese Vorfälle gezeigt, wie fragil die Lage im Norden ist.

Allgemein erscheint die Situation zzt. etwas angespannt, Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation besteht kaum. Nachdenklich hat uns gestimmt, wie die Familie Nassar von Aufbau und Hoffnung spricht, während in den Städten des Autonomiegebietes die Realität eine völlig andere Sprache spricht. Unserer Einschätzung nach haben die Palästinenser einen langen Weg vor sich, um auch aus eigener Kraft für bessere Verhältnisse zu sorgen. Auf dieser Reise wurde klar, dass beide Seiten nur eine Chance haben: aufeinander zugehen, auf Maximalforderungen verzichten und endlich den Weg des Friedens einschlagen. Nur so wird es möglich sein, dass beide Seiten friedlich neben- und vielleicht miteinander leben können. Ein eigenständiger palästinensischer Staat scheint im Moment, unter den vorherrschenden Bedingungen, unrealistisch zu sein.

Doch das heißt nicht, dass das Engagement für „Zelt der Völker“ ohne Sinn wäre. Ganz im Gegenteil! Gerade uns Christen sehe ich in der Pflicht, Menschen zu unterstützten, die auf friedlich Weise und mit ungebrochenem Optimismus für bessere Lebensbedingungen in diesem Teil der Welt sorgen wollen. Hier fällt mir 1. Thess.5,8 ein: „Wir aber gehören dem Tag und wollen deshalb nüchtern sein. Wir wollen Glauben und Liebe als Panzer anlegen und die Hoffnung auf Rettung als Helm.“ Und so sehen wir uns in der Pflicht, weiterzumachen. Die Werbetrommel zu rühren und die Familie Nassar in ihrem Bemühen beizustehen. Wir wünsche uns, dass sich künftig viele Menschen für „Zelt der Völker“ engagieren und das Projekt weiter unterstützen.

Montag, 2. November 2009

Grueße vom Weinberg VIII

Hallo zusammen,

Axel und ich sind am Sonntag wohlbehalten zu Hause angekommen, Kurt fliegt erst am Mittwoch nach Stuttgart. Am letzten Tag waren wir nochmal in Jerusalem, bevor wir uns aufmachten, den Busbahnhof zu suchen und nach längerer Suche zu finden. Die Ausreise gestaltete sich, wie immer, recht schwierig. X Kontrollen, als ich dann auch noch völlig übermündet ein kleines Taschenmesser im Handgepäck belassen hatte, war ich doch tatsächlich für einen Moment in Sorge, meinen Flug zu verpassen. Doch letztendlich ging alles gut. Den Flug selber habe ich eigentlich verschlafen, nach fast zwölf Stunden Flughafen waren wir völlig fertig.

An dieser Stelle möchte ich unserer Gemeinde und vor allem dem Freundeskreis herzliche Grueße von der Familie Nassar ausrichten!

Freitag, 30. Oktober 2009

Gruesse vom Weinberg VII

in den letyten tagen ging es nach Safed, einer der heiligen Staetten der Juden, nach nach Westen. Dort haben wir die alte Kreuzritterfestung Montford (Starkenburg) erwandert, bevor es nach am Mittelmeer entlang nach Akko ging. In Cesarea konnten wir noch die Ruinen besichtigen, bevor es richtig zu schuetten anfing. Hostel haben wir keins mehr gefunden, also haben wir im Auto geschlafen (sehr gemuetlich). Weil an der Kueste das Wetter so schlecht war, sind wir heute nochmals ans Tote Meer (nochmal baden) und haben uns bei Massada in ein Hostel eingemietet. Ein paar Sachen waschen, duschen, packen. Morgen geht es ueber Beersheva nach Jerusalem. Auto abgeben. Am Abend muessen Axel und ich schon zum Flughafen, Kurt bleibt noch ein paar Tage.

Das wars auch schon. Sonntagfrueh sind wir wieder zu Hause.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Gruesse vom Weinberg VI

heute waren wir am see genezareth und haben einige biblische stellen besucht. Wetter war heute wunderbar, die landschaft um den see war sehr beeindruckend. dann nach norden an der syrischen grenze entlang. waren in einer verlassenen siedlung und sind eine moschee hochgeklettert. Gab noch einen stopp in einer drusenstadt, wo wir eine pause eingelegt haben und essen gingen. haben uns mit dem besitzer unterhalten. sein bruder ist seit sechs jahren in syrien vermisst. war dort beim studieren und irgendwann ist der kontakt abgebrochen. es heisst immer, die drusen im nordgolan wollen wieder einen anschluss an syrien (im gegensatz zu den drusen noerdlich von haifa). es scheint aber, dass sie das baath-regiem in syrien doch nicht ganz koscher finden.....
die festung nimrod konnten wir nicht mehr besuchen, es war schon zu spaet. nun sind wir in quiriat schmona. schon seltsam, direkt hinter uns die libanesische grenze, d.h., wir sind in reichweite der hizbollah. den ganzen abend kreisen hubschrauber ueber der stadt und schuetzen sich mit pyrotechnischem feuerwerk. irgendwie seltsam.... dazu passt, dass hier, wie ueberall, reservisten mit badeklamotten und knarre rumlaufen. wie wir gerade erfahren haben, ist wohl gestern unweit von hier eine rakete auf israel abgeschossen worden.

sind recht muede. gehen frueh ins bett. morgen weiter an der libanesischen grenze nach zefat (eine fuer juden heilige stadt), dann zur burg montfort und weiter ans meer. langsam ist das ende der reise zu erahnen. wir wollen noch nach akko und caesarea, bevor es wieder nach jerusalem geht.

Dienstag, 27. Oktober 2009

Gruesse vom Weinberg V

Hallo zusammen,

nachtrag zu den beduinen - nachts schlich ploetzlich ein wuestenfuchs zwischen unseren schlafsaecken herum. kurt vertrieb ihn, leider floh er ueber axels schlafsack, was nicht ohne schrammen abging... am morgen waren dann die sandalen von kurt weg. wir wussten aber nicht so genau, ob das jetzt der fuchs war oder die beduinen... einen kann der schon klauen, aber gleich zwei? vor allem haben wir einen der jungs am vorabend an einer rast an einem kiosk beobachtet, wie er wie ein rabe klaute.... na ja, so ist das . . .

heute waren wir in bet shean und haben uns die ausgrabungen angesehen. hier stand mal eine grosse roemerstadt bzw. die byzantinische nachfolgerstadt. ein grosses, sehr beeindruckendes gelaende, auf dem wir uns ziemlich lange aufgehalten haben. am nachmittag nach norden, wieder an eine der stellen, wo man im jordan getauft werden kann. haben unsere fuesse in den jordan gehalten und uns die fuesse von den fischen anknabbern lassen. bei tiberias haben wir noch einen abstecher nach hittin gemacht, dort fand die entscheidende schlacht zwischen saladins mannen und den kreuzrittern statt, hier sollen an die 30 000 mann getoetet und noch mal so viel in gefangenschaft geraten sein. eine wirklich sehr beeindruckende landschaft, das schlachtfeld liegt an den sogenannten hoernern von hittin, einer wilden vulkanlandschaft. laue 27 grad beim sonnenuntergang und der aufgehende mond. wunderschoen. nun sind wir am see genezareth. morgen schauen wir uns ein paar christliche staetten an, bevor es in den golan und an die libanesische grenze geht. da wir noch draussen schlafen wollen, wird es erstmal kein internet mehr geben.

das fuer heute, allen liebe gruesse aus israel. stephan

Montag, 26. Oktober 2009

Gruesse vom Weinberg IIII

hallo zusammen,

gestern sind wir den ganzen tag bei mindestens 35 Grad auf den berg massada herumgestiegen. mit der seilbahn hoch, dann zu fuss runter, wir wollten durch ein wadi zum auto zurueck. aber das war dann doch zu gef'aerhlich. den berg wieder rauf und schliesslich auf der anderen seite wieder runter. wir waren fertig... dann haben wir an einem kleinen flugplatz bei beduinen uebernachtet. teppiche, bunte lampen, wasserpfeife etc. recht schoen auf einem matratzenlager im freien. nur gab es heute morgen eine boese ueberraschung, als sie ploetzlich einen recht hohen fantasiepreis fuers uebernachten haben wollten. axel wollte die lage noch klaeren, der oberchef hat dann wohl ein bisschen mit seiner pistole gespielt... dann sind wir einfach ab durch die mitte....
mittags waren wir in jericho. wie hebron eine recht chaotische, arabische stadt. haben ein bisschen eingekauft (moderate preise, kaum zu glauben, dass wir den effendi-zuschlag diesmal fast nicht zahlen mussten. dann noch einen alten sultanspalast angeschaut, bevor es nach norden ging. sind nun in bet shean, wo wir uebernachten. morgen sehen wir uns die riesigen roemischen ausgrabungen an, bevor es weiter rein nach galilaea geht und in den golan.

herzliche gruesse stephan

Samstag, 24. Oktober 2009

Gruesse vom Weinberg III

hallo zusammen,

gestern haben wir das land verlassen und sind ans tote meer gefahren. waren erst mal schwimmen und haben in der jugendherberge aufgetankt. heute geht es nach masada, dann wollen wir wieder richtung norden. hier ist es ziemlich heiss, haben in der frue schon an die 30 Grad.

die letzte nacht auf den weinberg war nicht gut. nachts um eins kam die armee, sie haben das tor aufgebrochen, ein weiteres niedergewalzt und sind ueber das gelaende. ist nicht schoen, nachts von einem taschenlampenstrahl und einer gewehrmuendung geweckt zu werden.... dann mussten wir uns anziehen, nach draussen. letztendlich ist dann nicht viel passiert. aber der vorfall zeigt, dass der friede noch weit entfernt ist....

bis dann, heryliche gruesse stephan

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Grueße vom Weinberg II

Hallo zusammen,

gestern haben wir vormittags auf dem land gearbeitet, nachmittags waren wir in Bethlehem. Heute Vormittag gings weiter mit dem Ausbudeln von Löchern (neuer Stall für Pferde unterirdisch). Am Nachmittag waren wir in Hebron und wurden von einem Peace-Maker-Team durch die Stadt geführt. Alles sehr frustierend.... Wir waren auch in der Moschee und haben das Grab von Abraham besucht. Am Abend zog es auf dem Weinberg zu. Zwar kein Regen, aber etwas kalt (ca. 18 Grad). Morgen wollen wir nach Jerusalem. Das für heute, herzliche Grueße aus dem Heiligen Land.

Stephan

Montag, 19. Oktober 2009

Gruesse vom Weinberg!

wir sind hier gut angekommen und sind nun seit zwei tagen auf dem weinberg. wetter wunderbar, es gibt hier viel zu tun. ich soll euch herzlich von der familie nassar und kurt und axel grueßen. morgen geht es nach bethlehem und die tage nach jerusalem. morgen wollen wir mal versuchen, der siedlung newe daniel einen besuch abzustatten. mal sehen, ob sie uns reinlassen.

herzliche grueße stephan

Dienstag, 22. September 2009

Buchtipp: "Wo Israel anfängt und endet"

Der Architekt Munio Weinraub und sein Sohn, der Filmemacher Amos Gitai

Wohnhochhäuser im kubisch-absolutistischen Stil Le Corbusiers, aber so an einem Steilhang gelegen, dass sie von der oberen Straße aus über eine Brücke auf halber Höhe angesteuert und über ein allseits offenes Stockwerk nach unten und oben erschlossen werden. Schul-, Versammlungs- und Sozialbauten, die sich auf radikal konsequente Weise klassischer Bauhaus-Prinzipien bedienen. Oder ein Synagogenraum mit seitlichen Emporen und mächtiger halbrunder Apsis, der um 1950 auch als moderner Kirchenbau in Deutschland Ehre eingelegt hätte, mit seiner riesigen Lichtöffnung in Form eines Davidsterns in der Decke aber einen anderen Weg zum Himmel sucht. Drei eigenwillig moderne, höchst einprägsame Beispielbauten - sie beweisen den hohen Rang der Aufbau-Architektur in den vierziger bis sechziger Jahren im jungen Staat Israel.

Wie Hunderte anderer Bauten im vergleichbaren Stil - Siedlungshäuser, Forschungs- und Regierungsbauten, Krankenhäuser, Kibbuzim, Schulen, Kultur- und Gewerkschaftsbauten - wurden sie von Munio Weinraub entworfen, einem Architekten, der, 1909 in Polen geboren, in Deutschland am Bauhaus in Dessau und Berlin sowie in Frankfurt am Main studiert hat. Im Jahr 1934 hat Weinraub einen Antrag auf Einreise nach Palästina gestellt, wo er schon bald nach seiner Ankunft ins öffentliche Baugeschehen einbezogen wurde und 1937 mit Al Mansfeld als Partner ein Architekturbüro gründen konnte.



Nicht nur mit dem Siegerentwurf im Wettbewerb für das neue Regierungsviertel Kiryah in Jerusalem ist dieses Büro bekannt geworden, auch der Erstentwurf für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geht auf die Entwürfe dieses Teams und auf die atmosphärisch suggestiven, raumhaltigen Handzeichnungen Weinraubs zurück.

Dass der Nachlass dieser Gründerfigur, der ja immerhin einen beträchtlichen Teil der Architekturgeschichte des Staates Israel nachvollzieht oder wenigstens prominent beleuchtet, im vergangenen Jahr der Architektursammlung der Technischen Universität München vermacht worden ist, kann man durchaus als museumspolitisches Ereignis feiern, ganz sicher aber als großen Vertrauensbeweis für das Münchner Sammlungs- und Forschungsinstitut, das sich nicht erst seit der Eröffnung der Pinakothek der Moderne mit einer ungewöhnlich dichten Serie international bedeutender Ausstellungen als kritischer Interpret der Architekturgeschichte und als Forum der aktuellen Baukultur höchstes Ansehen erworben hat.

Gründung und Toleranzgrenzen
Bei einer so spektakulären Transaktion von geistigem Eigentum über Grenzen hinweg ist aber nicht nur der Beschenkte, sondern auch der, der die Stiftung veranlasst hat, von größtem Interesse. Es war Munio Weinraubs Sohn Amos Gitai - der bedeutendste und in seiner kritischen Unruhe wohl auch kreativste Filmemacher Israels, der die riesige architektonische Hinterlassenschaft seines Vaters nach München gegeben hat.

Dort im räumlich beengten, aber mit Nachlässen prominent bedachten Institut der Universität war man sich der Außerordentlichkeit dieses Vermächtnisses sehr wohl bewusst. Winfried Nerdinger hat als Direktor des Münchner Architekturmuseums sowohl die Spende als auch den Spender mit einem Dokumentarwerk gewürdigt, das sich ähnlich weit über die Normalität und über die Konventionen erhebt wie die Spende selber: Mit einer gründlich vorbereiteten Ausstellung, mit Filmvorführungen, Vorträgen und Podiumsdiskussionen hat das Architekturmuseum das individuelle Lebenswerk der beiden Künstler in der Pinakothek der Moderne in all seinen Verästelungen vorgestellt.

Das eigentliche Ereignis ist aber die mächtige Publikation, die dabei entstanden ist und die von der einen Seite als umfassende Anthologie des architektonischen Lebenswerks von Munio Weinraub zu erleben und zu erblättern ist, von der anderen Seite sich aber als analytisches Kompendium zum umfangreichen Dokumentar- und Spielfilmwerk Amos Gitais erleben lässt. Selten dürfte einem Filmautor, der sich in seinen Fünfzigern befindet, eine so dichte und so umfassend bebilderte Würdigung seines Werks gewidmet worden sein. Auch wer nicht alle Texte im Buch liest, bekommt eine intensive Vorstellung vom kritisch-humanen Anspruch des Filmkünstlers Amos Gitai, vom pessimistischen Elan seiner Spielfilme, die den emotionalen Mutationen in der globalisierten Welt auf der Spur sind, und vom kompromisslosen Wahrheitsanspruch des Realitätensammlers, der mit seinen Langzeitdokumentationen - etwa über die Lebensumstände der Palästinenser in Israel - mehrfach die Toleranzgrenzen seiner Heimat ausgelotet hat.

MUNIO WEINRAUB / AMOS GITAI: Architektur und Film in Israel. Herausgegeben von Winfried Nerdinger. Deutsch und Englisch. Edition Minerva, München 2008. 408 Seiten, 580 Abbildungen, davon 290 in Farbe, 35 Euro.

Montag, 7. September 2009

Sommerbericht 2009 "Tent of Nations"

Vor wenigen Tagen hat uns der Sommerbericht von "Tent of Nations" per Mail erreicht. Wenn Ihr an neuesten Meldungen aus dem Westjordanland bzw. dem Projekt interessiert seit, >>> klickt bitte hier!

Dienstag, 25. August 2009

Deutschlandfunk-Feature: AIPAC-Konferenz

Washington Anfang Mai - die jährliche Konferenz des "America Israel Public Affairs Committee" (AIPAC) beginnt. 5000 Delegierte aus dem ganzen Land strömen in die Hauptstadt. Sie repräsentieren 100.000 Juden, aber auch Christen, die überall im Land für die politischen Standpunkte der israelischen Regierung in ihren Auseinandersetzungen mit den Palästinensern, der Hizbollah oder dem Iran werben.

Unter den Regierungen Clinton und Bush Junior war der Kongress ein Fest der Liebe, der öffentlichen Verbrüderung und der lautstarken Solidaritätskundgebungen. Zu Beginn der Präsidentschaft Barack Obamas glauben manche jetzt sei das Ende der fast uneingeschränkten Unterstützung Israels durch die USA gekommen. Was macht die "besondere Beziehung" eigentlich aus? Was daran ist strategisches Interesse, was ist politischer Mythos? In Gesprächen mit Delegierten der Konferenz, mit Befürwortern, Gegnern und Kritikern der Beziehungen versucht Daniel Cil Brecher die Bedeutung der amerikanisch-israelischen "Seelenverwandtschaft" zu ergründen.

>>> Hier gehts zum MP3!

Sonntag, 9. August 2009

Mahmoud Darwishs letztes Gedicht

Er ist einer der größten Poeten der arabischen Welt und zugleich politisch engagiert. Ihm ist der Elfenbeinturm fremd - anders als vielen europäischen Dichterkollegen. In Palästina geboren, wird er mit 14 zum ersten Mal verhaftet und geht schließlich ins Exil. Bayern 2 stellt sein letztes Gedicht vor.

"Wer bin ich? Wer?", fragt Mahmoud Darwish in seinem letzten langen Gedicht "Der Würfelspieler". "Wer bin ich denn, das Nichts zu enttäuschen?" Wenige Wochen später, am 9. August 2008, starb der Dichter in Texas nach einer Herzoperation und mit ihm eine Ikone des palästinensischen Volkes.


Sein lyrisches Vermächtnis "Würfelspieler" ist universal. Darwish stellt die großen existenziellen Fragen, gibt dem Zufall Raum. "Schon mit den ersten Versen des 'Würfelspielers' setzt seine schonungslose Selbstbefragung ein", schreibt sein Übersetzer, der syrisch-deutsche Dichter Adel Karasholi. Er gibt Auskunft über den Freund und Kollegen und zeigt mit seiner einfühlsamen Übersetzung, was die Dichtung Mahmoud Darwishs ist: Weltliteratur.

1941 in al Birwe bei Akko (Palästina) geboren, flüchtet Darwish 1948 in den Libanon und kehrt nach der Gründung des Staates Israel heimlich zurück. Mit dem Gedichtband "Ölbaumblätter" schafft er in den 60er-Jahren seinen literarischen Durchbruch.Er wird mehrfach in Israel gefangenen genommen und geht schließlich 1970 ins Exil. Von 1987 bis 1993 ist er Mitglied des Palästinensischen Nationalrats und unterstützt bis zu den Friedensverträgen von Oslo, die er als Verrat am palästinensischen Volk versteht, den Kurs der PLO. Zuletzt lebt er vorwiegend in Amman und Ramallah. 2008 stirbt er in Houston/Texas.

Darwish gilt als die poetische Stimme des palästinensischen Volkes, als großer Erneuerer der arabischen Lyrik und galt lange als aussichtsreicher Kandidat für den Nobelpreis. Seine Bücher sind in mehr als 35 Sprachen übersetzt.

>>> Hier kommen Sie zum mp3

Mittwoch, 29. Juli 2009

Reise nach Palästina im Oktober 2009

Angehörige des Freundeskreis versuchen durch Besuche den Kontakt zu dem Projekt und vor allem zu den Menschen vor Ort aufrechtzuerhalten. In KW 9 war eine Gruppe für eine Woche in Palästina unterwegs, mehr Infos dazu in Kürze! Eine zweite Gruppe wird in den KWs 43 und 44 2009 aufbrechen, die Flüge sind schon gebucht. Wer mitreisen möchte, sollte den Freundeskreis kontaktieren!

Anfragen für Gruppe II: an Stephan Maria Sommer

Ferien auf dem Siedlerhof

Während Israel und die USA über die jüdischen Ansiedlungen im Westjordanland streiten, setzen die dortigen Bewohner auf eine neue Taktik: Sie wollen mit Pensionen, Weinkellern, Cafés, Reitstunden oder Schwimmbädern Touristen anlocken - und sich so auf Dauer einrichten

Beit El/Chavat Jair - Wenn man Rivka Singer besucht, gibt sie einem nicht die Hand, denn fremden Männern die Hand zu schütteln, verbietet ihr der Glaube. Sie hatte um den Besuch gebeten, und auch darum, unter der Woche zu kommen. Freitagabends, wenn der Sabbat beginnt, empfängt sie keine Besucher, die mit dem Auto kommen, sie schaltet dann auch ihr Handy und das Internet aus und ist 24 Stunden lang unerreichbar. Rivka Singer ist 26 Jahre alt, im sechsten Monat schwanger und wohnt mit ihrem Mann Ari in der jüdischen Siedlung Beit El. Beit El heißt "Gottes Haus". Die Siedlung liegt zwischen der Palästinenserstadt Ramallah und einem Stützpunkt der israelischen Armee. An diesem Ort soll Jakob Gottes Stimme gehört und Engel gesehen haben, deshalb siedeln Menschen wie Rivka Singer hier. Sie sagt, sie wolle "nirgendwo anders" wohnen als in Beit El. Die Luft, sagt Rivka Singer, immer wieder, "ja, vor allem die gute Luft", sei auch ein Grund für Beit El. Die "ideologischen Gründe", die für Beit El sprächen, versteckt sie in einem Nebensatz, auf den sie dann später, bei einem Spaziergang zum Schwimmbad und zum Kleintierzoo der Siedlung, mit einem Schulterzucken zurückkommt: "Ich verstehe gar nicht, wo der Unterschied liegen soll zwischen Tel Aviv und Beit El! Beides gehört zu Israel."

„Sie sehen kein einziges palästinensisches Dorf“: In Chavat Jair gibt es daserste Café in einer illegalen Siedlung (oben). Das Ehepaar Singer (unten) ausdenUSA will „nirgendwo anders“ wohnen als in BeitEl. Fotos: Dinu Mendrea

Rivka Singers Ehemann Ari, auch 26 Jahre alt, redet, wie alle Siedler reden: "Unsere Vorväter haben hier gelebt, deshalb leben wir heute hier." Siedler sind so sehr damit beschäftigt zu sein, was sie sind, dass sie sich kaum vorstellen können, jemand könnte anders denken als sie. Ari Singer lässt sich gerade als Fremdenführer für die biblischen Stätten von Jehuda und Schomron ausbilden, so nennen die Siedler das Westjordanland in Anlehnung an die Bibel. Er kann eine halbe Stunde über Jakobs Engelserscheinung reden, er kann aber auch wütend werden. Ari Singer kommt aus Brooklyn und ist vor acht Jahren nach Israel eingewandert. Über US-Präsident Barack Obama, den er nicht gewählt hat, regt er sich auf, "aber so richtig", wie er sagt. "Wie kann Obama einen Baustopp in den Siedlungen verlangen? Wo sollen wir denn hin?" Es sei ja nicht so, dass Frieden käme, "wenn wir hier wegziehen. Die Palästinenser wollen alles, auch Tel Aviv und Haifa!"

Die Singers suchen seit Monaten nach einer größeren Wohnung, könnten aber keine finden, sagen sie, weil eben schon jetzt nicht mehr in den Siedlungen gebaut werde. Es fällt schwer, ihnen zu glauben. Von draußen dringen arabische Wortfetzen in das Wohnzimmer des jungen Ehepaars. Die Nachbarn lassen gerade ihr Einfamilienhaus von fünf palästinensischen Bauarbeitern renovieren, und auf dem Weg nach Beit El war der Horizont voller Baukräne in den jüdischen Siedlungen.

Vor ein paar Tagen war eine E-Mail von Rivka Singer in der Mailbox gelandet mit einem knalligen Betreff: "Wegen Baustopps in jüdischen Siedlungen findet schwangere Frau von Beit El keine Wohnung." Sie stehe gerne für Interviews zur Verfügung, um einen Termin zu vereinbaren, möge man sich per Mail mit ihr in Verbindung setzen. Die Adresse ist nicht ihr Name, sondern ihre Ideologie: NaturalGrowth@gmail.com, natürliches Wachstum.
Seit dem Amtsantritt von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu streiten die USA und Israel über die jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Obama verlangt von Israel einen Stopp des Siedlungsbaus, Netanjahu aber will die Wehrdörfer im Westjordanland ausbauen, um dem "natürlichen Wachstum" nachzukommen. Die Palästinenser fordern die Auflösung sämtlicher 121 jüdischer Siedlungen und den Umzug von allen 300 000 jüdischen Siedlern nach Israel.

Die wiederum setzen in jüngster Zeit neue Waffen im Kampf um die Gunst ein: Statt zu demonstrieren, Straßen zu blockieren oder Olivenhaine von Palästinensern anzuzünden, wollen die jüdischen Siedler jetzt mit E-Mail-Kampagnen und Tourismus das Westjordanland auch für die attraktiv machen, die Angst vor dem Westjordanland haben, die Besatzung ablehnen oder einfach nie auf die Idee kämen, dorthin zu fahren. Mit Boutique-Weinkellern, Kaffeehäusern, Reitstunden und Schwimmbadspaß wollen die jüdischen Siedler auch Nicht-Siedler in das besetzte Gebiet locken und vor allem auch jene, die am Strand von Tel Aviv auf den Wellen surfen und in der Sonne braten.

Die Idee sei "so einfach", sagt Mosche Ascher, der im Gemeinderat der Siedlerregion Binjamin sitzt, und "so effektiv": "Wir laden die Menschen ein, uns zu besuchen. Sie müssen ja nicht hier leben. Und wenn sie dann erst einmal die Schönheit von Jehuda und Schomron kennenlernen, wird es ihnen schwerfallen, für eine Auflösung der Siedlungen zu argumentieren." Das Gebiet, das Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert hat und in dem rund 2,5 Millionen Palästinenser nach den Vorschriften der israelischen Armee leben, solle "ein Ausflugsziel für die ganze Familie" werden. Man wolle den potentiellen Besuchern die Angst nehmen. "Die Medien" verzerrten die Wirklichkeit, sagt Siedlerführer Ascher. "Es ist ja nicht so, dass man hier jede Sekunde fürchten muss, von Palästinensern erschossen zu werden. In Tel Aviv kann man auch überfahren werden." Ascher geht trotzdem auf Nummer sicher: Die Fenster in seinem Auto bestehen aus Panzerglas.

Jakob und Neema Berg haben sich ihren Traum erfüllt, auf einem Hügel nahe der jüdischen Siedlung Psagot. Eine Boutique-Weinkellerei mit Besucherzentrum, Restaurant und einem Gartengrundstück für Hochzeiten. Das erst vor wenigen Wochen eröffnete Gebäude liegt wie ein Raumschiff im staubtrockenen Westjordanland. Ein grüner Rasen, Bougainvillea-Büsche, ein klimaanlagengekühlter Weinkeller und ein Parkplatz, der sich langsam füllt. An diesem Abend feiert eine Familie den 80. Geburtstag der Großmutter, die jüdischen Kellner im Weinkeller-Restaurant platzieren Blumengestecke auf den Tischen, ein Palästinenser wässert den Garten vor dem Gebäude. Jakob Berg muss ständig Anrufe entgegennehmen, weil Gäste sich verfahren haben. Unter ihnen auch, sagt er, "Gäste, die noch nie in ihrem Leben im Westjordanland waren".

Jeder Gast wird mit Handschlag begrüßt, ein Klavierspieler spielt leichte Stücke, die 80 Jahre alte Großmutter ist begeistert "von dem schönen Blick, den man von hier hat". Wenn man genau schaut, sieht man die Ausläufer Jerusalems, aber auch die acht Meter hohe Betonmauer, die das Westjordanland durchtrennt. Der Palästinenser, der im Garten eine Zigarettenpause einlegt, zeigt auf sein palästinensisches Dorf. Er sagt, er sei froh, dass er im Weinkeller "Nachalat Binjamin" Arbeit gefunden habe. Dann tut er so, als verstünde er Fragen nach den Siedlern nicht. Und schweigt.

Im Prospekt des Weinkellers steht, man sei stolz auf den Ort, der seit Jahrtausenden von jüdischer Geschichte geprägt sei. Wenn man die Bergs fragt, was sie von der Diskussion über die Auflösung jüdischer Siedlungen halten, steht Neema Berg der Schrecken im Gesicht geschrieben: "Es wäre das Ende der Welt, wenn wir unseren Weinkeller wieder auflösen müssten. Man würde uns von dem Land vertreiben, zu dem wir gehören und das uns gehört." Die Bergs haben jetzt auch eine englische Internetseite eingerichtet, um ausländische Touristen für Weinproben, französischen Käse und Mousse au Chocolat im Westjordanland zu interessieren.

Die Familie von Doron und Tamar Hirschfeld dagegen verzichtet ganz aufs Internet und Werbung, sondern setzt auf Mundpropaganda. Sie haben in Chavat Jair ein Kaffeehaus eröffnet, das erste in einer illegalen Siedlung im Westjordanland. Rund 100 wilde Siedlungen gibt es im Westjordanland, Ortschaften, die ohne offizielle Genehmigung Israels errichtet wurden. Die Hirschfelds sind Chavat-Jair-Pioniere. Vor acht Jahren haben sie den Außenposten zusammen mit befreundeten Siedlerfamilien gegründet, als der frühere Premierminister Ariel Scharon die Siedler aufrief: "Erobert die Hügel im Westjordanland!" Doron Hirschfeld sagt: "Das haben wir einfach gemacht." Er arbeitet als Rechtsanwalt und pendelt jeden Tag nach Tel Aviv ins Büro, "eine halbe Stunde, wenn kein Stau ist".

Die Familie mit den sechs Kindern lebt in einer großzügigen Villa mit einem Swimmingpool und Weinreben, die sich um das Terrassendach schlängeln. Gleich nebenan hat Doron Hirschfeld das Café errichtet, die "Hütte von Tamari". Das Haus aus Holz und mit zwei Terrassen ermöglicht einen Blick auf die Berge des Westjordanlandes nahe der Großsiedlung Ariel. Einen unverstellten Blick, wie die Hirschfelds preisen: "Sie sehen nur Natur und kein einziges palästinensisches Dorf!" Im Café sind an diesem Freitagmorgen alle Tische draußen und drinnen besetzt. Die Gäste bedienen sich am Büfett, es gibt Omelette nach Wunsch, Kaffee und Tee und Kuchen und Kekse.

Auf der Terrasse sitzt ein älteres Ehepaar, zwei Juden aus den USA, Rivka Rosenberg, 71 Jahre alt und aus Miami, und Jay Shapiro aus New York, 74 Jahre alt. Die beiden haben sich erst vor drei Jahren kennengelernt und sind jetzt ein Paar. Sie strahlen, wenn sie von ihrem Leben erzählen, sie spielen Tennis in der jüdischen Siedlung Karnei Schomron, gehen ins Kino in Jerusalem, und gerade eben sind sie zum ersten Mal in Tamaris Hütte. Die Aussicht sei "wie in der Schweiz oder in der Toskana", sagen sie und wollen, dass man ihnen zustimmt. "Und diese frische Luft erst, die haben Sie in Tel Aviv nicht!" Sie wollen ihren Freunden von dem Café erzählen, und spielen mit dem Gedanken, hier auch ihr viertes Jubiläum zu feiern.

Tamar Hirschfeld sagt, ihr Café sei "gut gebucht", Geburtstagsfeiern, Beschneidungsfeste und Jubiläen, "die Leute schätzen unser Essen." Und die Lage auch? "Wir haben jede Woche Gäste hier, die zum ersten Mal im Westjordanland sind. Manche kommen mit Angst hierher und nach einer Stunde sagen sie sich, vor was habe ich mich eigentlich gefürchtet . . ." Und manche kämen mit scheinbar unumstößlichen Überzeugungen: "Vor ein paar Wochen war hier eine Gruppe linker Politiker, die waren auf einer Erkundungstour. Am Ende haben sie gesagt, okay, alle Siedlungen müssen geräumt werden, nicht aber diese hier, wo es so schön ist." Doron Hirschfeld sagt, das sei genau der Effekt, den man erzielen wolle: "Die Leute sollen mit eigenen Augen sehen, wie schade das wäre, wenn man das Westjordanland aufgeben würde." Sein nächstes Projekt stehe auch schon fest: Die Hirschfelds wollen jetzt eine Pension in ihrer Siedlung bauen.

Doron Hirschfeld ruft seinen Freund Daniel Binun an, der eine halbe Autostunde von Chavat Jair in Givat Harel eine Pferdefarm besitzt. Er soll einem von den Pferden erzählen, man soll einen "richtigen Eindruck" vom Westjordanland bekommen. Auf seiner Pferdefarm aber gibt sich Benin dann wortkarg. Ja, er gebe Reitstunden, er besitze sechs Pferde, die Leute kämen aus dem ganzen Land, gerade jetzt, in den Sommerferien, auch Kinder, die Konzentrationsstörungen haben, bekämen Therapiestunden auf den Pferden, aber er habe jetzt keine Zeit mehr, er müsse die Pferde für eine Stunde satteln. Was man noch wissen wolle? Ob er verstehen könne, dass die Palästinenser das ganze Westjordanland für ihren künftigen Staat beanspruchen. Binun schiebt den Cowboyhut zurecht und brummt dann nur: "Wir tun mit unseren Siedlungen hier ja keinem weh."

Auf der Hauptstraße Nummer 60 nach Jerusalem steht ein junger israelischer Soldat und hebt den Daumen. Er darf übers Wochenende nach Hause. Sein Gewehr hat er auf dem Schoß liegen. Er fragt, woher man kommt. In einem Ton, der wie der Anfang eines Verhörs klingt, aber der Eindruck kann auch durch sein Gewehr entstanden sein. Seine Augen verraten Neugier, so viel, wie seine Uniform erlaubt. Wie man in Deutschland über das Westjordanland denke, will er wissen. Ob man "für oder gegen Israel" schreibe. Er erzählt von seinem Wehrdienst. Er sagt, die meiste Zeit stehe er vor einer jüdischen Siedlung und kontrolliere Besucher. Den Armeedienst habe er sich anders vorgestellt. "Sinnvoller, irgendwie".

(aus: SZ, 29. Juli 2009)

Montag, 29. Juni 2009

Mein Heim im Land meines Feindes

Amerika darf nicht mehr akzeptieren, dass Israel seinen Gründermythos auf die Siedlungen in den besetzten Gebieten überträgt

Ich bin alt genug, um mich an die Zeit zu erinnern, als israelische Kibbuzim noch wie Siedlungen aussahen. In den frühen Sechzigern verbrachte ich einige Zeit im Kibbuz Hakuk, einer kleinen Gemeinde, die von der jüdischen Miliz 1945 vor der Staatsgründung gegründet worden war. Kibbuz Hakuk wirkte immer noch ziemlich unfertig, als ich 18 Jahre später dort war. Die paar Dutzend Familien, die dort lebten, hatten sich eine Gemeinschaftsküche, einen Kindergarten, Scheunen und Häuser gebaut. Doch gleich dahinter erstreckten sich felsige Hügel und halbgerodete Felder. Die Kibbuzbewohner trugen noch ihre typischen blaue Arbeitshemden, Khakihosen und dreieckige Kappen: So kultivierten sie Bild und Haltung der Pioniere, was schon damals im Widerspruch zur hektischen, urbanen Atmosphäre von Tel Aviv stand. Hier ist das wahre Israel, schienen sie den hoffnungsfrohen Besuchern und Freiwilligen zuzurufen, kommt und helft uns, die Steine wegzuräumen und Bananen anzupflanzen - und sagt euren Freunden in Europa und Amerika, sie sollen sich euch anschließen.


Die Aussicht ist wohl einzigartig: Von der Siedlung Herodion in der Nähe von Bethlehem blickt ein religiöser Siedler, bewaffnet mit einemM-16-Sturmgewehr, über die Judäische Wüste. Foto: David Silverman/Getty

Hakuk gibt es immer noch. Heute lebt es von einer Plastikfabrik und den Touristen, die zum nahegelegenen See Genezareth strömen. Die ursprüngliche Wehrsiedlung wurde in eine Touristenattraktion verwandelt. Von diesem Kibbuz als einer "Siedlung" zu sprechen, wäre bizarr. Doch Israel braucht "Siedlungen". Sie sind notwendig, um das Image für ausländische Bewunderer und Geldgeber aufrechtzuerhalten: das eines kleinen Landes, das sich durch die harte Arbeit der Urbarmachung, durch legitime Selbstverteidigung und den Bau von Siedlungen in einer feindlichen Umgebung mühsam den Platz erkämpft, der ihm zusteht. Aber eine solche neo-kollektivistische Grenzland-Erzählung klingt im modernen, hochtechnisierten Israel unaufrichtig. Deshalb wurde der Gründermythos übertragen - auf die palästinensischen Gebiete, die im Krieg von 1967 erobert und seither illegal besetzt wurden.

Die internationalen Medien werden nicht zufällig dazu ermutigt, über jüdische "Siedlungen" und "Siedler" im Westjordanland zu berichten. Doch das Bild trügt. Die größte der umstrittenen Siedlungen ist Maale Adumim: 35 000 Menschen leben hier, so viele wie im englischen Winchester. Doch nicht die Zahl der Bewohner von Maale Adumim ist bemerkenswert, sondern die Fläche, die es einnimmt. Diese "Siedlung" erstreckt sich über 50 Quadratkilometer . Maale Adumim ist damit dreimal so groß wie Genf . Was für eine "Siedlung".

Es gibt 120 offizielle israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten, außerdem "inoffizielle" Siedlungen, deren Anzahl auf 80 bis 100 geschätzt wird. Nach internationalem Recht besteht zwischen ihnen kein Unterschied: Beide Formen widersprechen Artikel 47 der Vierten Genfer Konvention, die ausdrücklich verbietet, Land zu annektieren, das mit Gewalt eingenommen wurde. Es gibt keinen Unterschied zwischen "autorisierten" und "nicht autorisierten" Siedlungen, wie in israelischen Verlautbarungen oft behauptet wird: Alle Siedlungen sind illegal, egal, ob sie offiziell anerkannt wurden, ob sie expandieren oder nicht.

Doch dürfen wir über den unverhohlenen Zynismus der jetzigen israelischen Regierung nicht vergessen, dass auch ihre vermeintlich respektableren Vorgänger für die heutigen Verhältnisse verantwortlich sind. In den letzten zwanzig Jahren ist die Zahl der Siedler konstant um jährlich fünf Prozent gewachsen, fast viermal so schnell wie die israelische Bevölkerung insgesamt. Zusammen mit der jüdischen Bevölkerung Ost-Jerusalems (das ebenfalls illegal annektiert wurde) stellen die Siedler inzwischen eine halbe Million Menschen: mehr als zehn Prozent der jüdischen Bevölkerung im sogenannten "Großisrael". Ihnen wird bei den Wahlen großes Gewicht zugeschrieben, weil das anteilige Wahlsystem selbst dem kleinsten Wahlkreis übermäßigen politischen Einfluss verschafft. Um ihren Einfluss richtig einzuschätzen, muss man wissen, dass die Siedler - obwohl sie über ein Archipel von Ortschaften verstreut sind und durch 600 Checkpoints und Straßensperren vor den Arabern geschützt werden - einen homogenen demographischen Block bilden. Die Zahl illegaler Siedler im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und auf dem Golan übersteigt die von Tel Aviv um fast ein Drittel. Fürwahr erstaunliche "Siedlungen".

Wenn Israel sich an Siedlungen berauscht, waren die USA lange ihr Spirituosenhändler. Hätte Washington von 2003 bis 2007 nicht jährlich 2,8 Milliarden Dollar - 2013 sollen es 3,1 Milliarden werden - zur Verfügung gestellt, wären die Häuser im Westjordanland nicht so billig, nämlich nur halb so teuer wie Häuser im israelischen Kernland. Viele, die dort hinziehen, betrachten sich denn auch nicht als "Siedler". Gerade aus Russland oder anderen Staaten eingewandert, nehmen sie die staatlich geförderte Unterkunft dankbar an, ziehen in die besetzten Gebiete und werden - wie die Bauern, die in Süditalien an Straßen und Strom angeschlossen wurden - dankbare Diener ihrer politischen Herren.

Niemand glaubt wirklich, dass die "Siedlungen" mit ihren 500000 Einwohnern, ihrer städtischen Infrastruktur und ihrem privilegierten Zugang zu Land und Wasser je wieder aufgegeben werden. Die Regierenden gleich welcher politischer Coleur haben nicht die Absicht, die Siedlungen zu schleifen; und weder Palästinenser noch informierte Amerikaner machen sich darüber Illusionen. Trotzdem behaupten fast alle gern das Gegenteil - sie verweisen auf die sogenannte "Roadmap", den Friedensplan von 2003, und behaupten, sich auf die Grenzen von 1967 geeinigt zu haben. Diese vorgebliche Vergesslichkeit ist das Schmiermittel im diplomatischen Austausch. Doch manchmal führt politische Heuchelei in den Untergang - so wie hier. Weil die Siedlungen nie dem Erdboden gleichgemacht werden, aber fast alle so tun als ob, wurde lange die Folgen dieser "facts on the ground" ignoriert.

Niemand weiß das besser als Benjamin Netanjahu. Am 14. Juni hielt der Premierminister eine mit Spannung erwartete Rede, in der er kunstvoll Rauch in die Augen seiner amerikanischen Gesprächspartner blies. Während er anbot, die hypothetische Existenz eines Palästinenserstaates anzuerkennen - unter den Bedingungen, dass dieser keine Macht über seinen eigenen Luftraum besitzt und keine Mittel, sich gegen Angriffe zu verteidigen - wiederholte Netanjahu die einzige Forderung, auf die es ihm wirklich ankam: Wir werden keine illegalen Siedlungen errichten, aber behalten uns das Recht vor, "legale" Siedlungen ihrem natürlichen Wachstum entsprechend auszubauen. Die Rückversicherungen, die Netanjahu den Siedlern und ihrer politischen Wählerschaft machte, wurden so enthusiastisch aufgenommen wie immer, obwohl sie in Klischees verpackt waren, die sich vor allem an die nervöse amerikanische Presse richteten. Die New York Times schluckte den Köder wie vorgesehen und titelte: "Netanyahu unterstützt Palästinenserstaat mit Vorbehalten."

Doch wird Obama mitziehen? Natürlich will er - nichts würde dem amerikanischen Präsidenten und seinen Beratern besser ins Konzept passen als ein Benjamin Netanjahu, der nach Obamas Rede am 4. Juni in Kairo die Fronten wechselt und auf einmal zu Kompromissen bereit ist. Die amerikanische Regierung könnte Konflikte mit ihrem nächsten Verbündeten fürs Erste verhindern. In Wirklichkeit aber hat der israelische Premierminister die hässliche Wahrheit ausgesprochen: Wir haben nicht die Absicht, uns in Bezug auf die Landnahme von "Judäa und Samaria" den internationalen Gesetzen oder Meinungen zu beugen. Der amerikanische Präsident muss sich entscheiden. Er kann mitspielen, könnte sich so die Zuneigung des Kongresses erkaufen - und Zeit. Er könnte aber genauso gut zwanzig Jahre amerikanischer Zugeständnisse über Bord werfen, öffentlich zugeben, dass der Kaiser nackt dasteht, den Zyniker Netanyahu fallenlassen und die Israelis endlich daran erinnern, dass ihre Siedlungspolitik ohne amerikanische Unterstützung undenkbar gewesen wäre. Obama sollte die Israelis daran erinnern, dass ihre sogenannten Siedlungen weder der Verteidigung Israels dienen noch den Gründungsidealen gerecht werden, sondern nichts sind als kolonialistische Invasionsversuche.

Wenn die Siedlungen nicht geräumt werden, wäre ein Amerika, das so tut, als ob die Nicht-Expansion angeblich "autorisierter" Siedlungen einen echter Friedensbeitrag darstellt, eine Katastrophe. Niemand im Nahen Osten glaubt derlei Märchen. Israels politische Elite könnte unverdient aufatmen. Die Vereinigten Staaten hätten sich vor ihren Verbündeten erniedrigt, von ihren Feinden gar nicht zu sprechen. Wenn Amerika seine Interessen in Israel nicht durchsetzen kann, soll es sich wenigstens nicht wieder zum Narren halten lassen. Oder, wie George Bush einmal zu sagen versuchte: "Fool me once, shame on you; fool me twice, shame on me."

Der Autor ist Direktor des Remarque Institute der New Yorker Universität. Unter anderen verfasste er "Reappraisals: Reflections on the Forgotten Twentieth Century" (2008).

(aus: SZ, Juni 2009)

Donnerstag, 28. Mai 2009

„Zelt der Völker“ war auf dem Kirchentag!

Nachdem uns Jakob Fehr angeboten hat, den Freundeskreis „Zelt der Völker“ im Rahmen des DMFK-Standes auf dem Kirchentag in Bremen vorzustellen, haben wir in aller Eile noch 1000 Handzettel drucken lassen, die dann mit den Olivenbaum-Karten und Plakaten, die auch im Gemeindezentrum im Eingangsbereich hängen, per Post nach Bammental gingen. Jakob Fehr hat uns in einem Telefonat mitgeteilt, dass einige Bäume verkauft werden konnten.
In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, dass Stephan Sommer im Herbst nach Palästina auf den Weinberg reisen wird (ein genauer Termin folgt in Kürze). Wer Interesse an dieser einwöchigen Reise hat, soll sich bitte bei ihm melden! Der Freundeskreis möchte auch darauf hinweisen, dass Olivenbaum-Karten bzw. Patenschaften für 12,- Euro das Stück immer noch erworben werden können.

Wer Flyer zum Verteilen braucht, kann sich an Stephan Maria Sommer, schriftleitung@gmx.de, wenden!

Samstag, 2. Mai 2009

Kinotipp: "Das Herz von Jenin"

"Meine Rache ist die Menschlichkeit"
Ein Gespräch mit Ismael Khatib, der die Organe seines Sohnes an Israelis spendete und so Frieden mit seinem alten Feind machte

Ismael Khatib, 43, hat im November 2005 seinen Sohn Ahmed verloren. Der Zwölfjährige wurde im Flüchtlingslager von Dschenin im Westjordanland bei einer Militäraktion israelischer Soldaten tödlich am Kopf getroffen. Statt Rache zu schwören, entschloss Khatib sich, die Organe seines Sohnes israelischen Kindern zu spenden und so deren Leben zu retten. Einen Moment hielten die alten Feinde inne, Palästinenser wie Israelis nahmen die Geste so begeistert wie verwundert auf. Der deutsche Regisseur Marcus Vetter und der Israeli Leon Geller haben einen Dokumentarfilm über den Fall gedreht und den palästinensischen Vater dabei begleitet, wie er drei der sechs israelischen Kinder besucht, die heute mit Ahmeds Organen leben. "Das Herz von Jenin" läuft am Donnerstag in den Kinos an.

SZ: Am Tag seiner Beerdigung haben Männer in Dschenin den Leichnam Ihres Sohnes Ahmed in die Palästinenserflagge gehüllt, ihn durch die Straßen getragen und gerufen: "Hundert Tote für einen Toten!" Hatten auch Sie Rachegefühle?

Khatib: Ich habe während der Intifada 1987 Steine und Molotow-Cocktails auf israelische Soldaten geworfen. Insgesamt vier Jahre war ich darum in israelischer Haft. Irgendwann habe ich gemerkt: Gewalt bringt nichts, so kommt kein Frieden. Aber natürlich: Da wird ein Kind erschossen, ausgerechnet am ersten Tag nach dem Ramadan, an Eid El Fitr. Es ist ein Festtag für Muslime, ein Tag, um glücklich zu sein. Da haben selbst Nichtmuslime Rachegefühle verspürt.

SZ: Glauben Sie, dass Ihre Geste hilft, dem Frieden näher zu kommen?

Khatib: Ich hoffe es. Die Organspende war für mich größer, als wenn ich als Selbstmordattentäter nach Israel gegangen wäre. Ich bin ein friedliebender Mensch, aber natürlich habe ich Wut verspürt. Meine Rache ist die Menschlichkeit. Die Israelis waren irritiert, sie hatten mit allem gerechnet, nur damit nicht.

SZ: Haben alle in Dschenin das verstanden oder haben einige auch gesagt: Du bist verrückt, du hilfst dem Feind?

Khatib: Direkt zu mir gekommen ist keiner, aber es gab Verwunderung - und Respekt für meine Entscheidung. Ahmed hat dabei etwas bewirkt: Er ist das letzte Kind, das in Dschenin getötet wurde.

SZ: Wurden Sie gefragt, wer die Organe Ihres Sohnes bekommen soll?

Khatib: Nein. Aber Ahmed lag in einer Klinik in Haifa, also in Israel. Es war mir klar, dass die Organe vermutlich an Israelis gehen. Mir war aber wichtiger, dass vor allem Kinder die Organe bekommen - egal, ob Juden, Araber oder Christen. In ihnen lebt Ahmed weiter. Mein Bruder ist gestorben, weil er keine Niere bekam. Darum hatte ich mich längst entschieden, meine Organe zu spenden. Um aber zu entscheiden, ob Ahmeds Organe gespendet werden dürfen - auch an Israelis -, dafür brauchte ich einige Stunden Bedenkzeit. Ich musste meine Frau fragen, den Imam von Dschenin, den Chef der Al-Aksa-Brigaden. Alle sagten: Es ist kein Problem.

SZ: Haben alle Organempfänger gewusst, dass es Ihr Sohn ist?

Khatib: Nein, das wussten sie nicht.

SZ: Yaakov Levinson, ein orthodoxer Jude und der Vater von Menuha, die eine von Ahmeds Nieren erhielt, sagte bei einem Interview vor der Transplantation, er würde es bevorzugen, wenn das Organ von einem Juden käme. Da wusste er aber noch nicht, von wem die Niere stammt.

Khatib: Das hat mich verletzt, aber auch nicht erstaunt, er ist aufgewachsen in seiner Welt, die nicht zur Toleranz erzieht und nur die eigene Kultur zulässt.

SZ: Die letzte Station Ihrer Reise zu den Kindern führte Sie zu den Levinsons. Auf dem Weg dahin sagten Sie: "Dem Typen aus Jerusalem sag ich die Meinung." Als Sie schließlich bei ihm auf dem Sofa saßen, haben Sie es nicht getan. Warum?

Khatib: Yaakov Levinson hatte Angst, ich glaube, er hat noch nie einen Palästinenser, also seinen Feind, in sein Haus gelassen. Alles, was er sagen wollte, war auf Levinsons Gesicht, in seinem distanzierten Verhalten. Er hat mich gefragt, warum ich nicht in die Türkei gehe, um zu arbeiten. Er hat gar nicht verstanden, dass das hier auch meine Heimat ist. Ich glaube nicht, dass er sich ändern wird. Aber es ging mir nicht um den Vater, sondern allein um Menuha. In ihr sehe ich Ahmed.

SZ: Zum Abschied sagte Yaakov Levinson: "Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen." Gab es weitere Treffen?

Khatib: Nein. Aber über einen Onkel von mir weiß ich, wie es Menuha geht. Er hat Kontakt zu dem Krankenhaus, in dem sie behandelt wird. Auch Herr Levinson soll nach uns gefragt haben. Samah, ein Drusenmädchen, in dem das Herz von Ahmed schlägt, sehe ich regelmäßig, und Mohammed, einen arabischen Israeli aus der Negev-Wüste, der mit einer seiner Nieren lebt. Nicht alle wünschen den Kontakt, das ist in Ordnung, ich habe es ja nicht getan, um Dankbarkeit einzufordern.

SZ: Ihre Frau und Sie haben noch zwei Mädchen und zwei ältere Söhne. Werden die irgendwann zu den Waffen greifen?

Khatib: Meine Söhne studieren in Norwegen, Musik und Ingenieurwesen, sie sind nicht in der Armee. Sie wissen, dass ich im Widerstand war und warum ich es heute nicht mehr bin. Sie helfen mir, meine Friedensbotschaft bekannt zu machen. Auch in Dschenin habe ich etwas bewirkt, viele Israelis besuchen mich.

SZ: Nicht viele Israelis wagen sich in die palästinensischen Autonomiegebiete.

Khatib: Einige machen das trotzdem. Alle denken immer, dass wir Palästinenser Terroristen sind. Dschenin war immer die Stadt, aus der die Selbstmordattentäter stammen. Sie war ein Symbol für Rache. Die Besucher berichten in Israel, was sie hier sehen. Das hat auch das Bild von uns geändert. Eine Israelin hat mich besucht und auf dem Rückweg wurde sie von einem israelischen Soldaten am Checkpoint gefragt: Sind Sie verrückt, was machen Sie in Dschenin? Sie fragte zurück: Was machen Sie an dieser unsinnigen Mauer? Da hat er nichts mehr gesagt.

SZ: Es gab aber auch palästinensische Anschläge auf israelische Schulbusse.

Khatib: Kinder müssen raus aus dem Spiel, in dem sie benutzt werden - von beiden Seiten. Ein Kind weiß noch nicht, welche Religion es hat oder welcher Partei es folgen muss, es ist ohne Schuld. Wir sind geboren in einem besetzten Land, und unsere Kinder kennen nichts anderes. Deshalb sind Plastikwaffen oft auch ihre Spielzeuge. Auch an dem Tag, als Ahmed erschossen wurde, hatten sie eine Spielzeugwaffe dabei. Die Soldaten hielten sie angeblich für eine Kalaschnikow und haben sofort das Feuer eröffnet.

SZ: Haben Sie versucht, den Soldaten zu finden, der Ihren Sohn getötet hat?

Khatib: Nein, das habe ich nicht. Es spielt doch keine Rolle. Ahmed ist tot. Der Soldat hat im Rahmen einer Militäraktion seine Befehle ausgeführt. Die erste Kugel traf Ahmed am Bein, die zweite am Kopf. Warum hat der Soldat es nicht bei dem ersten Schuss belassen?

SZ: Der damalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat Ihnen öffentlich mehrmals gedankt. Letztendlich war er zu der Zeit verantwortlich für die Razzia, bei der Ahmed gestorben ist.

Khatib: Das Telefon hörte nicht mehr auf zu klingeln: "Scharon möchte dringend mit dir sprechen" hieß es, "Olmert möchte mit dir sprechen". Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums hat sich wortreich bei mir entschuldigt. Vor Ahmed sind viele Kinder getötet worden, keiner hat sich entschuldigt. Die Berichte über uns haben großen Druck erzeugt.

SZ: Dschenin soll das Vorbild für ein friedliches, unabhängiges Palästina werden. Kann das funktionieren?

Khatib: Dschenin ist eine friedlichere Stadt geworden, zuvor galt sie als fünftgefährlichste Stadt der Welt. Es bewegt sich etwas, und das hat mit den Leuten zu tun. Früher habe ich als Automechaniker gearbeitet, seit zwei Jahren leite ich ein Jugendzentrum in Dschenin. Im ersten Jahr kamen 200 Kinder zu uns, im zweiten 400. Die Kinder sind so weg von der Straße. Und wir wollen das alte Kino wieder aufmachen. Das war eine Idee, die dem Regisseur Marcus Vetter und mir gekommen ist, als wir den verfallenen Bau gesehen haben. Wir sammeln für unser Projekt Cinema Jenin und wollen das Kino 2010 eröffnen. Es soll ein Treffpunkt für Menschen unterschiedlichster Nationalitäten werden. Vielleicht können wir danach einen Spielplatz bauen oder einen Park.

SZ: Hätten Sie der Organspende auch noch nach dem jüngsten Gazakrieg zugestimmt? Menschenrechtler prangern willkürliche Tötungen von Zivilisten durch israelische Soldaten in Gaza an.

Khatib: Ich muss ein wenig überlegen, aber nein, es macht für mich keinen Unterschied. Es ist ja keine Spende an die Regierung, sondern an die Kinder. Neben mir im Krankenhaus haben Juden die Thora gelesen und wir den Koran. Wir haben alle an den Betten unserer Kinder gesessen und gewartet, dass sie ihre Augen aufmachen. Man fühlt, dass es gar nicht so schwer ist, Frieden zu machen.

(SZ, 2. Mai 2009)

Siehe auch http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=2601

Dienstag, 14. April 2009

"Tent of Nations" - Frühlingsbericht 2009

Liebe Freunde, herzliche Grüße aus Bethlehem und vom nun im Frühling grün werdenden Weinberg. Wir möchten Euch gern wieder über die Fortschritte im Projekt sowie die allgemeine Situation berichten.

Wie bereits im Bericht vom Januar erklärt, müssen wir noch immer den Umweg über Nashash machen, um von Bethlehem aus den Weinberg erreichen zu können. An der zukünftigen palästinensischen Straße, die durch den Tunnel unter der israelischen Straße hindurch führt, wird noch immer gebaut. Man wird dann einmal bis zum Dorf Husan gelangen. Eine Weiterfahrt von dort aus wie bisher nach Nahalin und zu unserem Land wird sehr wahrscheinlich nicht mehr möglich sein. Unser Umweg wird noch länger werden. Ebenfalls wird noch immer an der Apartheid-Mauer gebaut, und die Siedlungen werden weiterhin ständig vergrößert.

Landprozess
Bevor das Land als unser Eigentum von Israel anerkannt wird, muss es wie bereits erwähnt mit einem enormen Kostenaufwand wieder neu registriert werden. Dieser Prozess wird uns $ 15.000 kosten. Wir haben die erste Rate bezahlt und der Prozess wird jedoch erst fortgesetzt, wenn wir weiterhin zahlen. Die zweite Rate von $ 3000 ist jetzt fällig. Wir hoffen sehr, dass wir auch diesen Teil eines lang andauernden Prozesses zu einem guten Ende führen werden. Für jegliche finanzielle Unterstützung wären wir äusserst dankbar. Aber auch für das Mittragen unserer Probleme und all Eure Solidarität bedanken wir uns sehr herzlich.

Landwirtschaftliche Entwicklung
Wir sind sehr froh, Euch mitteilen zu können, dass wir in den letzten Monaten über 600 Bäume gepflanzt haben. Menschen aus verschiedenen Ländern haben dabei mitgeholfen und die Bäume auch gesponsert. Auf diesem Wege nochmals herzlichen Dank! Wir planen, nun bald mit der landwirtschaftlichen Schulung für Bauern aus den umliegenden Dörfern beginnen zu können. Es werden einfache Kurse vor allem in organischer Landwirtschaft angeboten. Wir bitten darum, mit uns Kontakt aufzunehmen, wenn hierzu nähere Infos gewünscht werden.

Infrastruktur
Da wir für das Land stets viel Wasser benötigen, haben wir zwei neue Zisternen fertig gestellt, für 80 000 Liters von Wasser, und eine dritte befindet sich im Bau. Wir beabsichtigen, die Küche im Gebäude der Volontäre zu verbessern. Ein teils unterirdischer Unterstand für die Tiere ist im Bau. Auch dafür würde finanzielle Unterstützung dankbar angenommen.

Besuche
Zahlreiche Besucher aus verschiedenen Ländern kamen in den letzten Monaten zum Land. Es kamen 311 Personen aus Deutschland, 141 aus den USA, 14 aus Norwegen, 22 aus England, 3 aus Frankreich, 28 aus der Schweiz, 145 aus Österreich, 5 aus Niederlande, 11 aus Brazil, 5 aus Schweden, 2 aus Schottland, 87 aus Israel, und 102 aus Palästina. Insgesammt haben wir zwischen Januar und März 876 Gäste.

Volontäre
Es ist sehr erfreulich und ermutigend, ständig Volontäre zur Mithilfe bei uns zu haben. Ohne sie könnten wir die viele Arbeit gar nicht bewältigen. Sehr dankbar sind wir für all die Solidarität, die wir stets erfahren dürfen.

Workshop Woche im Bildungszentrum Bent Al-Reef
Die Workshop Woche für die Frauen im Dorf Nahalin war sehr erfolgreich. Die diversen Themen fanden grosses Interesse, und es konnte den Frauen viel Neues vermittelt werden. Wir bitten um Mitteilung, wenn ein ausführlicher Bericht gewünscht wird.

Schliesslich möchte ich Euch allen von Herzen recht schöne Frühlingstage und zum Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus wünschen wir Euch Freude und Frieden, Hoffnung und Zuversicht, Segen und Gnade.

Mehr Infos finden Sie unter www.tentofnations.org
Mit herzlichen Grüssen Daoud Nassar

Dienstag, 17. März 2009

Olivenbaum-Fotos!

Dank Herrn Dettweiler konnte im Gemeindezentrum eine kleine Ausstellung eingerichtet werden; dabei handelt es sich um Fotografien von Olivenbäumen, die Herr Dettweiler auf einer Reise auf die Balearen gemacht hat. Diese Bäume sind teilweise über 1000 Jahre alt. Nun können einzelne Bilder für einen Mindestpreis von 30,- Euro erworben werden; der Erlös aus dem Verkauf kommt dem Projekt "Zelt der Völker" zugute.

Montag, 9. März 2009

Aktion "Ein Ölbaum für den Frieden" läuft auch 2009 weiter!

„Hoffnung leben, Frieden pflanzen“ ist das Motto, unter dem jedes Jahr auf dem Land der Familie Nassar hunderte von Olivenbäumen gepflanzt werden. Auch der "Freundeskreis Zelt der Völker" Ingolstadt unterstützt diese Aktion. Dazu gibt es seit November 2008 die Möglichkeit , Patenschaften für einen Olivenbaum zu erwerben. Die Karten für eine Patenschaft kosten 12,- Euro das Stück und sind über den Freundeskreis zu erwerben. Siehe auch Info auf der rechten Seite!

Bisher wurden schon über 1000,- Euro gesammelt. Das Geld hat auch schon unsere Freunde in Palästina erreicht und wurde in Olivenbäume investiert!

Donnerstag, 12. Februar 2009

Nahost-Spezial der Süddeutschen Zeitung

Interessante Artikel zum Nahost-Konflikt und zu den Wahlen 2009 in Israel findet Ihr unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/46/453734/uebersicht/

Mittwoch, 11. Februar 2009

Reise in das Heilige Land - 2009

Angehörige des Freundeskreis versuchen durch Besuche den Kontakt zu dem Projekt und vor allem zu den Menschen vor Ort aufrechtzuerhalten. In KW 9 war eine Gruppe für eine Woche in Palästina unterwegs, mehr Infos dazu in Kürze! Eine zweite Gruppe wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2009 aufbrechen. Wer mitreisen möchte, sollte den Freundeskreis kontaktieren!

Anfragen für Gruppe I: an Konrad Neufeld
Anfragen für Gruppe II: an Stephan Maria Sommer